Pointillismus selbst gemacht

Bei den Evil Mad Scientist Laboratories kann man DIY- und Open-Source-Hardware für „Kunst, Unterricht und die Weltherrschaft“ kaufen – beispielsweise den Bausatz eines Stiftplotters, der Eier bemalt (gibt es auch in einer größeren Ausführung für Straußeneier und ähnlich voluminöse Rundkörper). Manches bekommt man von den Laboratories aber auch geschenkt, zum Beispiel die wunderbare Software StippleGen 2.

Das Programm lädt ein beliebiges Bild und setzt es in ein Muster verschieden großer Punkte um – zur Wahl stehen weiße Punkte auf schwarzem Grund oder schwarze Punkte auf weißem Grund. Die Punkte sind anders als beim klassischen Klischee nicht in einem festen Raster angeordnet, sondern ihre Position wird im Lauf von einigen Durchläufen des Programms mit Hilfe eines Voronoi-Diagramms optimiert.

Das Programm ist innerhalb meines Lieblings-Software-Biotops Processing entwickelt worden. Da die Evil Mad Scientists ihre Anwendung auch noch unter eine Open-Source-Lizenz gestellt haben, kann sich jeder den Code herunterladen, in Processing öffnen und nach eigenem Bedarf verändern. Die Software läuft aber auch als eigene Anwendung unter Windows, Mac OS X und Linux, sodass man sie einfach so benutzen kann, auch wenn man Processing selbst gar nicht installiert hat.

Nach dem Start fängt StippleGen 2 sofort an zu arbeiten. Als erste Vorlage dient ein mitgeliefertes Foto von Grace Kelly (nein, das sieht man nicht oben im Screenshot). Diesen Vorlauf kann man stoppen und statt dessen ein Bild von der eigenen Festplatte laden. Dann stellt man Parameter wie die Zahl der Punkte und die Spanne zwischen ihrer minimalen und maximalen Größe mit Schiebereglern ein und lässt das Programm so viele „Generationen“ durchrechnen, bis das Ergebnis gut aussieht.

Das Ergebnis kann man als SVG-Datei speichern und zum Beispiel in Inkscape öffnen. Im SVG-Layout ist die Seitengröße zwar mit etwas skurrilen 3200 × 800 Pixeln angegeben, weil StippleGen 2 eigentlich dafür gedacht ist, Vorlagen für den oben erwähnten Eierplotter zu liefern. Das Format lässt sich aber nachträglich den eigenen Vorstellungen anpassen und das Bild auf jede gewünschte Größe aufziehen – ist ja schließlich Vektorgrafik. Mir geistern da gerade schon ein paar Ideen im Kopf herum, was man mit den schönen Punktmustern so alles anstellen könnte … wenn es klappt, wird davon hier zu lesen sein. Versprochen.

Google Street View – mit Abstand betrachtet

Heute ist es genau drei Jahre her, dass Google Street View in Deutschland online gegangen ist. Ich war seinerzeit beruflich mit dem Thema befasst, habe regelmäßig online und in der c’t darüber berichtet und auch in zwei Editorials zur gesellschaftlichen Diskussion rund um Street View meine Meinung dazu gesagt: Vorab im Text „Fotowilderei“ [PDF], kurz nach dem Start in „Die Zweiteilung der Welt“ [PDF]. Ich gebe zu, dass mir seinerzeit die Diskussion um den Panoramadienst und am Ende auch das Thema selbst gehörig auf den Wecker ging. Damals habe ich Street View eigentlich nur im Browser geöffnet, um Screenshots davon für meine Artikel zu machen.

Heute benutze ich Street View viel öfter – als Archiv. Denn es ist erstaunlich, was sich in den wenigen Jahren seit Googles Kamerafahrten alles verändert hat: Häuser wurden abgerissen, Baulücken geschlossen, Gebäude renoviert, Bäume gefällt. In Hannover ist sogar ein kompletter Kreisverkehr samt Platz in der Mitte verschwunden: In Street View ist er noch da, auf der Karte bereits weg:

(Ergänzung vom 4. August 2024: Inzwischen fährt Google wieder mit seinen Kamera-Autos herum, auch in Deutschland, deshalb zeigt Street View am oben eingebundenen Ort mittlerweile keinen Kreisverkehr mehr. Zwar kann man sich bei Street View auch gezielt ältere Bilder anzeigen lassen, aber leider nicht überall: In Deutschland bekommt man offenbar stets nur die jüngsten zu Gesicht. In den USA hingegen oder Großbritannien kann man stellenweise von Jahr zu Jahr springen … Damit hat sich eigentlich erledigt, was ursprünglich der Aufhänger für mein originales Posting war: Die Begeisterung für eine eingefrorene Momentaufnahme der Wirklichkeit, weil es damals ja auch hieß, Google werde auf keinen Fall irgendwann neue Bilder von deutschen Straßen aus schießen. Also ging ich davon aus, dass die Straßenansicht hierzulande Jahr für Jahr altern werde …)

Wie sah das Lindener Rathaus noch mal vor dem Umbau aus? Was für ein Geschäft war früher dort, wo Sven jetzt seinen Radladen hat? Was stand für ein Gebäude an der Stelle der großen Baugrube in der Innenstadt? Kein Problem, Street View zeigt es. Falls die weltweit von Google geschossenen Panoramabilder auch in fünfzig oder hundert Jahren noch zugänglich sind, werden sie ein Schatz für HistorikerInnen und SozialwissenschaftlerInnen sein. Denn sie zeigen flächendeckend den Alltag auf der Straße, ganz mechanisch aufgenommen, ohne jeden Gestaltungswillen, ohne viel Auswahl, ohne dass ein Fotograf die scheinbar banalen, hässlichen und langweiligen Aufnahmen aussortiert hat. Ein paar skurrile Stellen hat zum Beispiel Peter Glaser in seinem alten Glaserei-Blog bei der Stuttgarter Zeitung versammelt (die aber leider inzwischen nicht mehr online sind). Es geht aber auch deutlich unspektakulärer: In Småland zum Beispiel kann man Dutzende von Kilometern am Rechner auf Landstraßen durch endlose Wälder fahren. Warum auch immer.

Utopie: Innerstädtischer Nahflugverkehr

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauchten die ersten Flugapparate am Himmel auf, Symbole einer neuen Zeit und ihrer Technik. Prompt machte sich in den Köpfen mancher Visionäre die Vorstellung breit, in der Stadt der Zukunft werde man sich nicht nur mit Hoch- oder Untergrundbahnen, zu Fuß und mit dem Auto fortbewegen, sondern ebenso selbstverständlich per Flugzeug durch die Häuserschluchten der Metropolen kreuzen. Eine solche Szene sieht man zum Beispiels in Fritz Langs Stummfilm Metropolis von 1925/26:

https://youtu.be/skY2eDN7CoE?t=18m16s

Es gab auch einige Architekten und Stadtplaner, die diese Nahverkehrsvision ernsthaft in die Tat umsetzen wollten. Der futuristische Architekt Antonio Sant’Elia zum Beispiel zeichnete eine Serie von Entwürfen für eine Citta Nuova, eine neuen Stadt. Deren zentraler Bahnhof sollte auf seinem Dach einem kompletten Flughafen Platz bieten:

Die Skizze oben zeigt die Zentralstation aus der Perspektive eines Pilots im Endanflug. Die Einflugschneise wäre parallel zu den Gleisen und Schnellstraßen im Vordergrund verlaufen. Im Bahnhofsgebäude unter dem Rollfeld hätte man dann auf dem kurzen Fußweg das Verkehrsmittel wechseln können.

Sant’Elias Entwurf stammt von 1914, war für Mailand gedacht und wurde nie realisiert. Elf Jahre später (und nach Sant’Elias Tod) griff der amerikanische Architekt Frank Lloyd Wright die Idee wieder auf, als er sich 1925 Gedanken über ein neues Stadtzentrum von Los Angeles machte:

Auch diese Vision wurde nie umgesetzt.

Wenn man genau hinschaut (zum Vergrößern bitte klicken!), erkennt man auf Wrights Entwurf über dem Stadtzentrum nicht nur normale Flugzeuge, sondern auch Luftschiffe. Und für deren Abfertigung in Innenstädten wurden tatsächlich vereinzelt Vorbereitungen getroffen. Ich habe es ja lange für ein Gerücht gehalten, aber wie die New York Times schreibt, gab es tatsächlich den Plan, den Fuß der Antenne auf dem Dach des Empire State Building in New York als gigantischen Poller fürs Vertäuen von Zeppelinen zu benutzen. Die Deutschen, die New York mit ihren Luftschiffen LZ 127 (Graf Zeppelin) und LZ 129 (Hindenburg) anliefen, hielten das für eine Schnapsidee und steuerten lieber das Flugfeld im rund 100 Kilometer entfernten Lakehurst an. Die Amerikaner hingegen haben wohl den einen oder anderen praktischen Versuch tatsächlich gewagt: Laut der New York Times machte im September 1931 ein Luftschiff behelfsmäßig für drei Minuten am Gebäude fest, bei satter Windstärke acht. Zwei Wochen später seilte ein Prallluftschiff (Blimp) einen Packen Zeitungen auf dem Dach des Empire State Building ab. Das war’s dann auch. Deshalb sind alle Bilder von vertäuten Zeppelinen an der Spitze des Wolkenkratzers Fotomontagen:

Oder sie stammen aus dem Computer wie diese Szene aus dem Spielfilm Sky Captain and the World of Tomorrow:

Es gab allerdings mal jemanden, der – zumindest für sich selbst – die Vision von individuellen Stadtbummel durch die Luft in die Tat umgesetzt hat: Der brasilianische Ingenieur und Lebemann Alberto Santos-Dumont baute während seiner Jahre in Paris eine Reihe von Luftschiffen und benutzte seine nur zehn Meter lange Konstruktion N°9 angeblich, um Freunde in der Stadt zu besuchen oder ins Restaurant zu fliegen. Es heißt, er sei auf der Avenue Champs Èlysées oder in der Rue Washington gelandet und habe sein Luftschiff bei Zwischenstopps unterwegs einfach am nächsten Baum festgebunden. Das Luftschiff N°9, auch Baladeuse (Wandererin) genannt, hatte einen 3-PS-Motor und erreichte eine Geschwindigkeit von rund 25 Stundenkilometern – bei zu viel Gegenwind wird Santos-Dumont besser eine Droschke genommen haben.

Santos-Dumont ging es bei seinen Ausflügen sicher weniger um Bequemlichkeit und echte Zeitersparnis, dafür umso mehr um den Effekt. Er wird mit seinem Luftschiff ähnlich viel Aufsehen erregt haben wie im 19. Jahrhundert Fürst Pückler-Muskau, als er vor dem Berliner Café Kranzler seine Kutsche mit vier vorgespannten Hirschen parkte. Als Santos-Dumont später von den Luftschiffen zu Motorflugzeugen wechselte, war er zwar nicht der erste, der so ein Gerät in die Luft brachte, aber der erste, der seine Flüge als öffentliche Veranstaltungen zelebrierte. In die Luftfahrtgeschichte ging er als erfolgreichster Flugpionier seiner Ära ein, gemessen an den Preisen für Langstrecken- und Dauerrekorde, die er einheimste.

Um Publicity (oder schlicht: Reklame) ging es wahrscheinlich auch, als der Pilot Antonius Raab am 8. Juni 1923 morgens um acht mit seiner Maschine in Berlin Unter den Linden auf der Straße landete. Raab erzählte der Polizei, es sei eine Notlandung gewesen. Am nächsten Tag stand die Geschichte groß in den Zeitungen und der Hersteller des Flugzeugs, das Stahlwerk Mark, warb anschließend in Anzeigen ganz unverholen mit der glatten Landung der Maschine auf der Fahrbahn. Der vom Stahlwerk in Lizenz gebaute kleine Hochdecker Rieseler III/22 hätte sich somit zumindest theoretisch für den innerstädtischen Flugverkehr geeignet.


In den fünfziger und sechziger Jahren war dann der Hubschrauber serienreif und beflügelte die Idee des urbanen Nahverkehrs durch die Luft aufs neue. Zur Zeit ist im Historischen Museum in Hannover die Ausstellung Stadtbilder. Zerstörung und Aufbau zu sehen. Dort sieht man auf einer Projektskizze von Karl Cravatzo von etwa 1960 einen bananenförmigen Doppelrotor-Hubschrauber hoch über einer Startplattform schweben, die über die Bahnsteige des Hauptbahnhofs gebaut ist. Auch diese Plattform wurde nie errichtet. Hubschrauberverkehr gibt es aber dennoch über der Stadt: bei Fußballspielen, bei Großveranstaltungen, bei Polizeieinsätzen. Nicht zu vergessen: der Hubschrauberlandeplatz der Medizinischen Hochschule, der in ungefähr 200 Metern Luftlinie vor meinem Bürofenster liegt. Wenn von dort aus mal wieder der Rettungshubschrauber im Einsatz knapp über meinen Schreibtisch donnert, dann bin ich mir sicher: Von solchen Notfällen abgesehen ist innerstädtischer Nahflugverkehr keine gute Idee.

Warum Kuli und nicht Kugi?

Schon lange frage ich mich, warum Kugelschreiber immer nur Kuli genannt werden – dabei wäre Kugi doch eigentlich viel logischer. Oder?
Auf der Wikipedia-Seite zum Stichwort Kugelschreiber steckt der entscheidende Hinweis schon im ersten Absatz:

„Die umgangssprachliche Kurzform Kuli bezeichnete ursprünglich den 1928 von Rotring entwickelten Tintenkuli.“

Der Tintenkuli wiederum war mit dem Füller verwandt, hinterließ im Unterschied zu diesem aber stets Striche in exakt gleicher Stärke, egal, in welche Richtung man ihn übers Blatt zog. Man konnte damit offenbar auch präzise technische Zeichnungen anfertigen, musste ihn aber recht diszipliniert ziemlich steil halten, wie man liest.
Da ist der Kugelschreiber weniger anspruchsvoll: Als er in den 40er Jahren auf dem Markt auftauchte, verdrängte er den Tintenkuli schnell, kaperte aber nebenbei dessen Kurzbezeichnung Kuli. Die Technik des ursprünglichen Kulis mit Röhrchenfeder und Tintentransport durch Kapillarwirkung entwickelte der Hersteller Rotring später weiter – die technischen Tuschezeichenstifte namens Isograph und Rapidograph stammen vom Tintenkuli ab.
Bleibt nur die Frage: Wie kam Rotring im Jahr 1928 auf den Namen für seinen Stift? Tatsächlich gab es das Wort offenbar schon vorher. Zumindest ist es in Otto Ladendorfs Historischem Schlagwörterbuch aus dem Jahr 1906 aufgeführt:

Tintenkuli ist ein vermutlich von Maximilian Harden aufgebrachter verächtlicher Ausdruck für den journalistischen Lohnschreiber.“

Da erschließt sich mir spontan kein direkter Zusammenhang. Aber weiter unten heißt es:

„Das dem Ostindischen entstammende Wort Kuli bezeichnet jetzt allgemein die indischen und chinesischen Lastträger …“

So wie der Kuli die Lasten transportiert, so transportiert der Tintenkuli die Schreibflüssigkeit. Das könnte der Gedanke bei der Namensgebung gewesen sein. Ein bisschen seltsam wirkt die Metapher aus einem Jahrhundert Distanz betrachtet aber schon.

Spitze einer hochwertigen Kugelschreibermine unter dem Mikroskop. Die Kugel ist tatsächlich so präzise geformt, dass man darin die Spiegelung der Umgebung erkennen kann.

Spitze einer hochwertigen Kugelschreibermine unter dem Mikroskop. Die Kugel ist tatsächlich so präzise geformt, dass man darin die Spiegelung der Umgebung erkennen kann – jedenfalls, wenn es dabei was interessantes zu sehen gibt, was hier im Bild zugegebenermaßen nicht der Fall ist.

Eigentlich wollte ich ja …

… in diesem Blog kleine Bastelprojekte vorstellen. Leider ist in letzter Zeit nicht viel zusammengekommen (und aus dem, was man mit gutem Gewissen zeigen kann, sind meist Artikel für c’t oder Hardware Hacks geworden). mfds_135x120-ca861121167496f4Deshalb an dieser Stelle zwei Links auf zwei Projekte aus dem Jahr 2011, die als Anregung für den damals laufenden c’t-Wettbewerb „Mach flott den Schrott II“ dienten: