Google Street View – mit Abstand betrachtet

Heute ist es genau drei Jahre her, dass Google Street View in Deutschland online gegangen ist. Ich war seinerzeit beruflich mit dem Thema befasst, habe regelmäßig online und in der c’t darüber berichtet und auch in zwei Editorials zur gesellschaftlichen Diskussion rund um Street View meine Meinung dazu gesagt: Vorab im Text „Fotowilderei“ [PDF], kurz nach dem Start in „Die Zweiteilung der Welt“ [PDF]. Ich gebe zu, dass mir seinerzeit die Diskussion um den Panoramadienst und am Ende auch das Thema selbst gehörig auf den Wecker ging. Damals habe ich Street View eigentlich nur im Browser geöffnet, um Screenshots davon für meine Artikel zu machen.

Heute benutze ich Street View viel öfter – als Archiv. Denn es ist erstaunlich, was sich in den wenigen Jahren seit Googles Kamerafahrten alles verändert hat: Häuser wurden abgerissen, Baulücken geschlossen, Gebäude renoviert, Bäume gefällt. In Hannover ist sogar ein kompletter Kreisverkehr samt Platz in der Mitte verschwunden: In Street View ist er noch da, auf der Karte bereits weg:

Wie sah das Lindener Rathaus noch mal vor dem Umbau aus? Was für ein Geschäft war früher dort, wo Sven jetzt seinen Radladen hat? Was stand für ein Gebäude an der Stelle der großen Baugrube in der Innenstadt? Kein Problem, Street View zeigt es. Falls die weltweit von Google geschossenen Panoramabilder auch in fünfzig oder hundert Jahren noch zugänglich sind, werden sie ein Schatz für HistorikerInnen und SozialwissenschaftlerInnen sein. Denn sie zeigen flächendeckend den Alltag auf der Straße, ganz mechanisch aufgenommen, ohne jeden Gestaltungswillen, ohne viel Auswahl, ohne dass ein Fotograf die scheinbar banalen, hässlichen und langweiligen Aufnahmen aussortiert hat. Ein paar skurrile Stellen hat zum Beispiel Peter Glaser in seinem alten Glaserei-Blog bei der Stuttgarter Zeitung versammelt (die aber leider inzwischen nicht mehr online sind). Es geht aber auch deutlich unspektakulärer: In Småland zum Beispiel kann man Dutzende von Kilometern am Rechner auf Landstraßen durch endlose Wälder fahren. Warum auch immer.