Mini-Me – ich in 3D

Es gibt mich jetzt auch in klein – knapp 20 Zentimeter hoch, im Maßstab von etwa 1:9, aus gefärbtem Gips in 3D gedruckt. Sowas kommt vor, wenn man bei einer großen Computerzeitschrift arbeitet und – um darüber zu berichten – ab und zu auch mal Dinge ausprobiert, die sich nach Science-Fiction anhören.

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Diese Figur von mir hat der Berliner 3D-Scanner-Hersteller und Druckdienstleister Botspot freundlicherweise eigens für den Artikel angefertigt. Mein Kollege und ich sind nach Berlin gefahren, zum Botspot-Geschäft im Materialkaufhaus Modulor am Moritzplatz, um 3D-Scans von uns machen zu lassen. Der Scan funktioniert dort über Fotogrammetrie, ein Verfahren, das ursprünglich aus dem Landvermessungswesen kommt. Bei Botspot sind dafür in einem speziellen Raum über 60 Spiegelreflexkameras montiert, die alle zeitgleich ausgelöst werden und die Person in ihrer Mitte aus lauter unterschiedlichen Blickwinkeln aufnehmen. Aus den Fotos berechnet dann eine spezielle Software das 3D-Datenporträt.

Das Ganze fühlt sich erstmal so ähnlich an wie ein Fototermin für ein Bewerbungsbild: Man verabredet mit dem Fotostudio eine Zeit, überlegt sich, was man anzieht, denkt noch mal über die Haare nach (falls man mehr davon hat als ich) und macht sich schließlich auf den Weg. Im Studio wird man freundlich empfangen, fühlt sich aber doch nicht so gelöst wie gewünscht, wenn die Kamera auf einen gerichtet ist. Dann werden ein paar Aufnahmen gemacht – bitte recht freundlich –, man sieht eine Vorschau auf dem Bildschirm, nickt die Aufnahme ab und verabschiedet sich. Das ist alles mäßig aufregend, aber nicht unbedingt neu.

Umso seltsamer ist allerdings der Moment, an dem ein paar Tage später ein kleines Paket ankommt. In dem Paket ist ein Schaumstoffklotz, in dem Schaumstoffklotz ist eine Höhlung und in der Höhlung liegt eine irritierend realistische Miniatur seiner selbst. Ich kann mich daran erinnern, dass es ähnlich komisch war, als Kind zum ersten Mal auf einer Kassettenaufnahme die eigene Stimme zu hören. Oder die erste Video-Aufnahme: Man schaut aus der Perspektive eines anderen Menschen auf sich selbst, aus Blickwinkeln, die man im Spiegel nie zu sehen bekommt, dazu bewegt sich das Bild und man hört sich vielleicht auch noch selbst reden. Die eigene innere Wahrnehmung wird mit der scheinbar objektiven Wahrnehmung des Videos konfrontiert.

Von ganz ähnlicher Qualität ist die erste Begegnung mit dem geschrumpften Ebenbild aus Gips. Nein, man hat keine Phantomschmerzen, wenn jemand die Figur mit einem Zahnstocher piekt, und ich bekomme auch keinen Muskelkater davon, wenn ich das Foto oben länger anschaue (so ein auf die rund zehnfache Größe aufgeblasener Bleistift würde sicher ein paar Kilo wiegen…). Aber solche fotorealistischen 3D-Figuren sind eine neue Darstellungsform, mit der man erst mal einen Umgang finden muss – so wie sich vor ein paar Generationen Menschen an die damals neue Porträtfotografie gewöhnen mussten, die Bildnisse stets nur als Gemälde und Zeichnungen kannten (die zudem nur den Reichen und Vornehmen vorbehalten waren).

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Derzeit fühlt sich ein solcher 3D-Scan mit folgendem 3D-Druck wie etwas an, was man vielleicht nur einmal im Leben macht – so wie man das im 19. Jahrhundert vielleicht vom Fotoporträt dachte. Deshalb habe ich für meinen Scan auch mein Lieblings-Ringelhemd angezogen. Und mich entschieden, den 3D-Raum ohne Schuhe zu betreten – weil ich mich so wohlfühle. Womit ich nicht gerechnet habe: Dass meine Figur barfuß ist, scheint manche meiner Bekannten mehr zu irritieren als die Tatsache, dass es mich jetzt zweimal in zwei verschiedenen Größen gibt.

Pointillismus selbst gemacht

Bei den Evil Mad Scientist Laboratories kann man DIY- und Open-Source-Hardware für „Kunst, Unterricht und die Weltherrschaft“ kaufen – beispielsweise den Bausatz eines Stiftplotters, der Eier bemalt (gibt es auch in einer größeren Ausführung für Straußeneier und ähnlich voluminöse Rundkörper). Manches bekommt man von den Laboratories aber auch geschenkt, zum Beispiel die wunderbare Software StippleGen 2.

Das Programm lädt ein beliebiges Bild und setzt es in ein Muster verschieden großer Punkte um – zur Wahl stehen weiße Punkte auf schwarzem Grund oder schwarze Punkte auf weißem Grund. Die Punkte sind anders als beim klassischen Klischee nicht in einem festen Raster angeordnet, sondern ihre Position wird im Lauf von einigen Durchläufen des Programms mit Hilfe eines Voronoi-Diagramms optimiert.

Das Programm ist innerhalb meines Lieblings-Software-Biotops Processing entwickelt worden. Da die Evil Mad Scientists ihre Anwendung auch noch unter eine Open-Source-Lizenz gestellt haben, kann sich jeder den Code herunterladen, in Processing öffnen und nach eigenem Bedarf verändern. Die Software läuft aber auch als eigene Anwendung unter Windows, Mac OS X und Linux, sodass man sie einfach so benutzen kann, auch wenn man Processing selbst gar nicht installiert hat.

Nach dem Start fängt StippleGen 2 sofort an zu arbeiten. Als erste Vorlage dient ein mitgeliefertes Foto von Grace Kelly (nein, das sieht man nicht oben im Screenshot). Diesen Vorlauf kann man stoppen und statt dessen ein Bild von der eigenen Festplatte laden. Dann stellt man Parameter wie die Zahl der Punkte und die Spanne zwischen ihrer minimalen und maximalen Größe mit Schiebereglern ein und lässt das Programm so viele „Generationen“ durchrechnen, bis das Ergebnis gut aussieht.

Das Ergebnis kann man als SVG-Datei speichern und zum Beispiel in Inkscape öffnen. Im SVG-Layout ist die Seitengröße zwar mit etwas skurrilen 3200 × 800 Pixeln angegeben, weil StippleGen 2 eigentlich dafür gedacht ist, Vorlagen für den oben erwähnten Eierplotter zu liefern. Das Format lässt sich aber nachträglich den eigenen Vorstellungen anpassen und das Bild auf jede gewünschte Größe aufziehen – ist ja schließlich Vektorgrafik. Mir geistern da gerade schon ein paar Ideen im Kopf herum, was man mit den schönen Punktmustern so alles anstellen könnte … wenn es klappt, wird davon hier zu lesen sein. Versprochen.